Vom 1. Juli 1851 bis zum 30. September 1879 wurde die Gerichtsbarkeit in Steinheim von einer Kreisgerichtskommission ausgeübt, die ihren Sitz im städtischen Gebäude Pyrmonter Straße 36 (jetzt Nummer 10) hatte. Die Gerichtskommission gehörte zum Kreisgericht in Höxter.
Als mit Wirkung vom 1. Oktober 1879 die Amtsgerichte als erstinstanzliche Gerichte eingeführt wurden, bemühte sich die Stadt Steinheim darum, Sitz eines Amtsgerichts zu werden.
Das Amtsgerichtsgebäude
Am 12. August 1878 schloss der Magistrat der Stadt Steinheim mit dem Justizfiskus einen Vertrag, in dem sich die Stadt verpflichtete, spätestens bis zum 1. Oktober 1879 ein Gerichtsgebäude auf dem von ihr erworbenen Grundstück an der Ecke Marktstraße / Neue Straße in massivem Mauerwerk zu errichten, das die erforderlichen Geschäftsräume, eine Wohnung und 3 Gefängniszellen (2 Einzelzellen, 1 Gemeinschaftszelle) enthalten sollte. Die Stadt verpflichtete sich ferner zur Aufstellung von Holzöfen und zur Bereitstellung eines entsprechenden Hofraums für die Lagerung des Holzes.
Der Justizfiskus hatte nach dem Vertrage für das Gebäude einen jährlichen Mietzins an die Stadt zu zahlen. Das Amtsgerichtsgebäude wurde am 3. August 1880 bezogen, da sich die Fertigstellung des Baus verzögert hatte.
Es hatten sich unter anderem Meinungsverschiedenheiten zwischen Stadt und Justizfiskus über die Höhe des Mietzinses ergeben. Die damals schon sparsame Justizverwaltung hatte sich zunächst gegen eine Erhörung des Mietzinses auf Grund der höheren Baukosten gesträubt.
In diesem Zusammenhang lobte der Amtsrichter zwar in einem Schreiben vom 3. August 1881, dass der Bau zweckmäßig und schön geworden sei. Er meinte jedoch, dass der Justizfiskus einen so schönen monumentalen Bau nicht verlangt habe; ihr hätte eine Ausführung in Ziegel- oder Bruchsteinen genügt; auch sei der Bauplatz zu teuer gewesen.
Historische Immissionen
Der Amtsrichter beanstandete in diesem Schreiben auch den Verkehrslärm (schon 1881!), weil „jeder vorbeifahrende schwere Wagen das ganze Gebäude so erzittern macht beziehungsweise solchen Schall verursacht, daß man jedes Mal gezwungen ist mit Schreiben einzuhalten und in den Verhandlungen zu pausieren“.
Probleme mit dem Wasser
Ein Streitpunkt war auch die damals vor dem Gerichtsgebäude stehende Wasserpumpe, die im Winter des Öfteren einfror. Der Gerichtsdiener, der die Wohnung im Gerichtsgebäude bewohnte, beklagte sich Anfang Januar 1895 darüber, dass ihm wegen des Einfrierens der Pumpe das Wasser „zum Schrubben und Waschen“ fehle.
Im Januar 1907 beklagte er sich erneut darüber, dass die Pumpe trotz Frostschutzes eingefroren sei; für seinen eigenen Haushalt bekomme er zwar von seinem (gegenüber wohnenden) Nachbarn Wasser; dieser lehne es jedoch ab, Wasser für Zwecke des Amtsgerichts zur Verfügung zu stellen. Der Gerichtsdiener bat daher um Anlage einer Leitung vom Straßenbrunnen zu seiner Küche. Dies lehnte die Stadt mit der Begründung ab, es handele sich um eine Interessentenpumpe, über die die Stadt nicht verfügen könne, und außerdem habe der Brunnen nicht genügend Wasser, weil dieses zum Ausspülen der Straßenrinnen benötigt würde.
Bauliche und sonstige Veränderungen am Amtsgerichtsgebäude
Im Jahre 1899 wurde ein feuersicheres Grundbuchgewölbe hergestellt, 1912 wurde elektrische Beleuchtung angelegt und die Holzöfen wurden durch Kohleöfen ersetzt, im Juli 1914 wurde ein Fernsprechanschluss hergestellt, die erste Schreibmaschine wurde im Oktober 1915 in Benutzung genommen, 1927 wurde das Grundbuchgewölbe vergrößert, 1929 wurde in der Wohnung des Justizwachtmeisters eine Wasserpumpe installiert, 1937 wurde eine Heizungsanlage eingebaut und im Jahre 1952 wurden weitere bauliche Veränderungen und Erneuerungen vorgenommen.
Das Gerichtsgefängnis war bereits am 1. April 1928 geschlossen worden. Von 1940 bis 1953 diente eine der Gefängniszellen als Wochenendkarzer für Jugendliche.
Nach Kriegsende (1945) ruhte der Dienstbetrieb des Amtsgerichts zunächst völlig. In dieser Zeit kamen Einrichtungsgegenstände, Akten und Bücher des Amtsgerichts abhanden und wurden verheizt.
Land Nordrhein-Westfalen wird Eigentümer des Gerichtsgebäudes
Da der Stadt die Unterhaltungskosten des Gerichtsgebäudes zu hoch wurden, schenkte die Stadt durch Schenkungsvertrag vom 24. Mai 1961 das Amtsgerichtsgebäude dem Lande Nordrhein-Westfalen (Justizfiskus). Die Stadt behielt sich aber vor, bei einer Auflösung des Amtsgerichts Rückgabe des Gebäudes gegen Erstattung der Wertverbesserungen zu verlangen.
Daraufhin wurden vom Herbst 1963 bis Dezember 1967 vom Justizfiskus umfangreiche Umbauarbeiten nebst Restunterkellerung vorgenommen.
Gerichtsbezirk im Wandel
Zur Zeit der Errichtung des Amtsgerichts Steinheim gehörten zum Gerichtsbezirk die damaligen Ämter Steinheim und Lügde, nämlich Steinheim, Bergheim, Lügde, Harzberg, Kempen, Feldrom, Hagedorn, Breitenhaupt, Menzenbrock, Ottenhausen, Rolfzen, Sandebeck, Thienhausen, Vinsebeck und Wintrup.
Als am 30. September 1932 das Amtsgericht Nieheim aufgelöst wurde, vergrößerte sich der Amtsgerichtsbezirk Steinheim um Nieheim, Entrup, Eversen, Himmighausen, Holzhausen, Merlsheim, Oeynhausen, Schönenberg, Sommersell, Bredenborn, Born, Münsterbrock, Erpentrup und Langeland.
Ab 1. Januar 1970 verkleinerte sich aufgrund der Gebietsreform der Amtsgerichtsbezirk Steinheim um Lügde und Harzberg (jetzt Amtsgerichtsbezirk Blomberg), Kempenfeldrom (jetzt Amtsgerichtsbezirk Detmold), Erpentrup und Langeland (nunmehr Amtsgerichtsbezirk Brakel), Born, Münsterbrock und Bredenborn (jetzt Amtsgerichtsbezirk Höxter). Dem Amtsgerichtsbezirk Steinheim wurden nur Erwitzen und Grevenhagen zugeschlagen.
Schließung des Amtsgerichts Steinheim
Das Amtsgericht Steinheim hat sein l00jähriges Bestehen im Jahre 1980 nicht mehr erreicht, denn im Zuge der Bestrebungen kleine Amtsgerichte aufzulösen und größere Amtsgerichte zu bilden, wurde das Amtsgericht Steinheim zum 31.12.1978 aufgelöst und durch das Amtsgericht Brakel übernommen.
Das ehemalige Gerichtsgebäude wird heute als Filiale der Sparkasse Höxter genutzt.